06.05.2024


„Das war damals so ne heiße Phase gewesen, wo es in Deutschland überall…“

Heute hörte das Gericht eine Zeugin und drei Zeugen. Die Zeugin Petra M., frühes Mitglied der Saarlouiser Naziskin-Szene und später bei „Blood and Honour“, fiel wie schon im Prozess gegen Peter Schröder vor allem mit unglaubwürdigen Gedächtnislücken auf. Sie hatte bei der Polizei recht deutlich davon gesprochen, dass der Brandanschlag in Saarlouis in der lokalen Szene gefeiert worden war und es in Saarländer Szene hieß, „die Saarlouiser“, „der St. und seine Konsorten“ seien das gewesen.

Von all dem wollte sie heute nichts mehr wissen bzw. erinnern. Das Gericht wies die Zeugin mehrmals auf die Pflicht hin, die (volle) Wahrheit zu sagen – sehr wahrscheinlich wird auf sie ein Verfahren wegen Falschaussage zukommen. An einer Stelle indes sprach die Zeugin Wahres aus: Auf die Frage nach den Reaktionen auf den Anschlag sagte sie, „das war damals so ne heiße Phase gewesen, wo es in Deutschland überall…“ und machte damit erneut deutlich, dass auch die Szene im Saarland von den Anschlägen in ganz Deutschland – und nicht nur in Hoyerswerda – mitbekommen hatte und sich darauf bezog.

Der zweite Zeuge war der ehemalige Bewährungshelfer von Peter St. und Peter Schröder. Er schilderte die Charaktere von St. und Schröder, damals Schlappal, sehr eindrücklich und kam zu dem Schluss, dass er Schröder zutrauen würde, einen solchen Brandanschlag im betrunkenen Zustand zu begehen. St. dagegen sei zu berechnend und bedacht gewesen, „wenn er das geplant hätte, hätte er seine Leute gehabt.“ Die Ideologie von St. sei die des Dritten Reiches gewesen. Schließlich bestätigte der Zeuge auch den Eindruck von der Arbeit der Polizei in Saarlouis, der insbesondere im Verfahren gegen Schröder aufgekommen war: er habe schon den Eindruck gehabt, dass es bei der Polizei Saarlouis einige gegeben habe, die auch gegen Ausländer eingestellt waren.

Ähnliche Einschätzungen zu St. und Schröder gab der dritte Zeuge, ein Sozialarbeiter aus Saarlouis, ab, der Mitte bis Ende der 1990er auch die Naziskin-Szene „betreut“ hatte. Er beschrieb St. als den absoluten Anführer der Szene, berechnend, gewalttätig und absolut menschenverachtend. Er sei damals sehr erstaunt gewesen, dass St. trotz zahlreicher Körperverletzungen stets mit Bewährungsstrafen davon kam, habe daher vermutet, dass mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet habe. Die Aussage des Zeugen ließ sich gleichzeitig auch als Kritik an dem Konzept der „akzeptierenden Sozialarbeit“ mit Neonazis verstehen, die es den Nazis auch in Saarlouis ermöglichte, Räume zu besetzen, andere Jugendliche aus diesen zu vertreiben und sich gleichzeitig „den Mantel brave Jugendgruppe drüberzuhängen“.

[Update: zur Kritik an der Tätigkeit der Sozialarbeiter_innen in Saarlouis durch Gruppen aus dem Saarland vgl. auch Veranstaltungsankündigung und Flugblatt zu einer Veranstaltung der Aktion 3. Welt Saar aus dem Jahr 1996.]

Als letzter Zeuge berichtete der Ergänzungsrichter aus dem Verfahren gegen Peter Schröder darüber, was Schröder selbst und der Zeuge Heiko Sch. dort im Gericht ausgesagt hatten.

Nächste Woche sind als Zeugen geladen ein weiteres Mitglied der Saarlouiser Szene und noch einmal KHK Stelzl, der hauptsächliche Ermittler des LKA Saarlouis. Danach ist das Gericht mit seinem Beweisprogramm zu dem, was genau der Angeklagte am Abend des 18.09.1991 im „Bayerischen Hof“ gesagt hat, durch. Die Nebenklage und auch die anderen Verfahrensbeteiligten werden über die Pfingstunterbrechung bis zum 03.06.2024 Zeit haben, Beweisanträge zum Thema zu stellen.

In der Zwischenzeit liegt auch eine aktuelle Einschätzung des Bundesgerichtshofs zur Haftentlassung St.s vor. Hintergrund war eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts, den Haftbefehl gegen St. aufzuheben. Der Bundesgerichtshof hat die Beschwerde zwar verworfen, hat dabei aber sehr deutlich gemacht, dass „eine andere Wertung der Beweismittel ebenfalls möglich erscheint und nicht sämtliche für die Würdigung bedeutsamen Gesichtspunkte in dem angefochtenen Beschluss [des OLG] Erwähnung finden“. Wir sehen uns hierdurch in unserer Sicht bestätigt, dass das Verfahren noch lange nicht am Ende angekommen ist.